Nachruf auf Dr. Irmtraut Hempel (1924–2025)
Die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung nimmt in stillem Gedenken Abschied von Dr. Irmtraut Hempel geb. Schneider, die am 8. September 2025 in Molfsee bei Kiel im Alter von fast 101 Jahren verstorben ist.
Gemeinsam mit ihrem Ehemann, Prof. Dr. Gotthilf Hempel, begleitete sie über viele Jahrzehnte mit großem Interesse die Entwicklung der deutschen Polarforschung. Ihr Engagement und ihre Unterstützung fanden hohe Wertschätzung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Die Deutsche Gesellschaft für Polarforschung wird Dr. Irmtraut Hempel ein ehrendes Andenken bewahren.
Ein Blick auf das Leben von Dr. Irmtraut Hempel
Dr. Irmtraut Hempel widmete ihr Leben in vielfältiger Weise der Wissenschaft. Gemeinsam mit ihrem Ehemann prägte sie über Jahrzehnte die Entwicklung der Polarforschung und wirkte an der Entstehung wichtiger Institutionen und internationaler Netzwerke mit.
Aufgewachsen in Berlin und bei Potsdam, begann sie ihr Biologiestudium an der Universität Heidelberg. Nach einer Unterbrechung setzte sie es in München fort, bevor sie nach Heidelberg zurückkehrte und dort 1952 mit einer Promotion über Krill-Larven abschloss. Während des Studiums lernte sie ihren Kommilitonen Gotthilf Hempel kennen und lieben. Kurz vor ihrem 28. Geburtstag heirateten die beiden. Ihre Söhne wurden 1952 und 1960 geboren.
Frühe Stationen der wissenschaftlichen Laufbahn ihres Ehemanns Gotthilf Hempel führten an das Max-Planck-Institut in Wilhelmshaven, die Biologische Anstalt Helgoland, das Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft in Hamburg sowie zu mehreren Auslandsaufenthalten in den USA, Frankreich und Italien – damals noch eine Seltenheit im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf allen beruflichen Stationen begleitete Irmtraut Hempel ihren Ehemann und unterstützte ihn sachkundig, auch wenn sie sich zunächst stärker um die junge Familie kümmerte. Mit dem Wechsel an das Institut für Meereskunde der Universität Kiel ließ sich die Familie in Molfsee bei Kiel nieder, wo sie ein Haus baute und dauerhaft „vor Anker“ ging. Auch während der Zeit, in der ihr Ehemann als Gründungsdirektor des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven tätig war, sowie in den 1990er-Jahren am Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Rostock-Warnemünde und bei der Gründung des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung in Bremen, blieb Molfsee der Lebensmittelpunkt. In all diesen Jahren war Irmtraut Hempel die wichtigste Beraterin und Kritikerin ihres Mannes, die ihn insbesondere in sozialen Fragen mit menschlicher Wärme unterstützte.
Gleichzeitig war Irmtraut Hempel auch selbst wissenschaftlich aktiv. Zunächst forschte sie im Labor über marines Plankton. Als eine der ersten Wissenschaftlerinnen erhielt sie die Möglichkeit, an Forschungsfahrten teilzunehmen – zunächst mit FS Valdivia und FS Meteor, später auch mit FS Polarstern in antarktischen Gewässern. In den frühen Jahrzehnten war die Teilnahme von Frauen an Expeditionen keineswegs selbstverständlich, sodass sie zu einer Pionierin in der Meeresforschung wurde und eigene Planktonproben auf See gewinnen konnte.
Darüber hinaus gehörte sie zum Herausgebergremium der Fachzeitschrift Polar Biology, einer zentralen Publikationsplattform für die polaren Lebenswissenschaften. Sie war Mitherausgeberin der Bände Biologie der Polarmeere (1999) und Faszination Meeresforschung: Ein ökologisches Lesebuch (2006). Damit trug sie entscheidend zur internationalen Sichtbarkeit und Vernetzung der Disziplin bei.
Ihr Engagement, ihre Weitsicht und ihre Zugewandtheit machten Irmtraut Hempel zu einer hochgeschätzten Persönlichkeit, die weit über ihr unmittelbares Arbeitsumfeld hinauswirkte. Über viele Jahre setzte sie sich für internationale Studierende und Forschende sowie deren Familien an der Universität Kiel ein. Für diesen ehrenamtlichen Einsatz erhielt sie 1999 die Silberne Ehrennadel der Universität Kiel. Gemeinsam mit ihrem Ehemann gründete sie zudem die Stiftung „Kirche im Dorf“ unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Das Ehepaar Hempel pflegte ein offenes, großzügiges Haus, das Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt ebenso willkommen hieß wie Studierende und Freunde aus unterschiedlichsten Arbeitsfeldern. Gerne erinnert wird an Dichterlesungen im Wohnzimmer und an die alljährlichen Rübenmus-Runden im Advent, an denen auch eine der Autorinnen teilnehmen durfte. Die Herzlichkeit der Eheleute sowie ihr Sinn für Witz und Humor machten persönliche Begegnungen stets zu einem bleibenden Erlebnis.
Dr. Irmtraut Hempel bleibt in Erinnerung als Brückenbauerin zwischen Forschung und Gesellschaft und als Persönlichkeit, die der Polarforschung nachhaltig ihren Stempel aufdrückte.
Wir gedenken ihrer in Dankbarkeit und Respekt.
Im Namen der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung
Dr. Heidemarie Kassens (Kiel)
Prof. Dr. Priska Schäfer (Kiel)
Prof. Dr. Cornelia Spiegel (Bremen)